Russische Musik von Prokofiew

Lautmaler russischer Volksseele im Maschinen-Zeitalter

Zur Friedensbotschaft des russischen Pianisten und Komponisten Sergei Sergejewitsch Prokofjew (1891-1953)

Eine Serie von Andreas Neumann aus Münster

Einer meiner früheren Klavierlehrer mit Schwerpunkt in der deutschen Romantik pflegte spöttisch zu sagen, Prokofjew müsse eigentlich „Pro-Knoch-jew“ heißen, da seine Klaviermusik so gehämmert sei und auf die Knochen gehe, anstatt mit den Fingerkuppen gespielt werden zu können. Jener Klavierpädagoge unterrichtete daher nur ausnahmsweise und sehr ungern Klavierstücke von Prokofjew, aus meiner heutigen Sicht leider.

Der erste Eindruck täuscht im Falle Prokofjews sehr. Wenn man sich näher mit ihm befasst, entdeckt man neben den technisch bravourösen und motorischen Wettbewerbsstücken wie der bekannten Toccata Op. 11 mehr und mehr auch wunderschöne gesanglich-lyrische Stellen, die von unverwechselbarer Eigenart sind und – einmal im Ohr – hartnäckig immer wiederkehren.

Prokofjew war Sohn einer guten Pianistin und studierte zunächst Komposition am Konservatorium von Sankt Petersburg u.a. bei Rimski-Korsakow und Tscherepnin, der ihn förderte. Nach seinem Abschluss in Komposition sattelte er noch ein komplettes Klavierstudium drauf, das er 1914 abschloss. Er führte als erster Pianist in Russland Klavierstücke von Arnold Schönberg auf, verweilte seit 1918 bis zu seiner Rückkehr im Jahre 1932 jedoch im Ausland. In seiner Autobiographie schreibt er dazu:

„Die Luft in der Fremde kann mich nicht inspirieren, weil ich Russe bin und nichts für einen Menschen schädlicher sein kann als das Leben im Exil, in einem geistigen Klima, das seiner Wesensart nicht entspricht.“

Es gibt einige interessante Videos von ihm, die ihn bei der Arbeit in seinem Haus in der Nähe von Moskau zeigen, wie er am Klavier etwas ausprobiert und dann wieder zum Schreibtisch wechselt, um seine genialen musikalischen Einfälle aufzuschreiben und zu verarbeiten. Wichtig für Prokofjew war sein Kontakt zu Diaghilew und damit zum Ballett, insoweit ähnlich wie Igor Stravinsky. Seine exzentrische Genialität und Fortschrittlichkeit lässt sich musikhistorisch wohl am ehesten mit derjenigen eines Beethoven vergleichen.

Eine Einteilung in Schaffensphasen hat bei Prokofjew wenig Sinn, weil sich neo-klassische Werke, modernistische Stücke, motorisch-mechanische Werke, lyrische Stücke und diabolisch scherzhafte Werke zeitlebens abwechseln und immer wieder sogar in ein und demselben Stück zu finden sind. Prokofjew selbst spricht daher von entsprechenden „Grundlinien“ seines Schaffens.

So ist seine erste Sinfonie – die kurzweilige Symphonie classique – traditionell tonal im Stile von Haydn geschrieben. Ähnlich gefällig im Rahmen der klassischen Melodie- und Harmonielehre ist das bekannte Musikmärchen Peter und der Wolf aus dem Jahre 1936.

Das zweite Klavierkonzert ist ein Meisterwerk mit lyrischem Anfang und raffiniert ausgesuchten modernen Harmoniewechseln, der zweite Satz ein mitreißendes, pianistisch irrwitzig anspruchsvolles rasend schnelles Scherzo. Archaische Rhythmen und russische Tiefe finden sich im dritten und vierten Satz wieder, ein Feuerwerk an abwechselnden Themen und dynamischen Kontrasten.

Das Thema des zweiten Satzes der sechsten Klaviersonate inspirierte offensichtlich den „Little Drummer Boy“, der einige Jahre später in den USA zum Weihnachts-Schlager wurde. Ein durch und durch tonales tänzerisches Thema wird durch burleske Eingriffe immer wieder unterbrochen. Man bezeichnet die drei Sonaten 6, 7 und 8 auch als Kriegssonaten-Trilogie und versteht sie als massive Kritik am sinnlosen Morden im Zweiten Weltkrieg. So hört man im langsamen Satz der siebenten Sonate minutenlang ein unheimliches Totengeläut und im dritten Satz dieser Sonate die gehämmerte Propaganda der damaligen totalitären Herrscher.

Von Sergei Prokofjew und seiner Musik geht bis heute eine klare Friedensbotschaft aus, gerade so wie von Ludwig van Beethoven.

Ich freue mich insbesondere auch auf Feedback an neumann@immoanwalt.nrw
Andreas Neumann
https://immoanwalt.nrw/

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